Schulische Medienpädagogik

Mein erster Text, der sich mit schulischer Medienpädagogik befasste, löste 1994 in Teilen der medienpädagogischen Community heftige Diskussionen aus. Es ging um folgenden Artikel:

Niesyto, Horst (1993): Handlungsorientierte Medienpädagogik im curricularen „Schulknast“? In: Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. (GMK), Rundbrief Nr. 34 (1993): S. 74-78.

In dem Artikel bezog ich mich auf das Buch „Medienpädagogisches Handeln in der Schule“, hrsg. 1992 von Wolfgang Schill, Gerhard Tulodziecki und Wolf-Rüdiger Wagner. Entlang von vier Thesen machte ich damals Anmerkungen aus der Perspektive der Jugendforschung und der außerschulischen Jugendmedienarbeit. Es ging mir vor allem um die Analyse und Kritik an bestimmten schulischen Anforderungs- und Selektionsstrukturen, die Ansätzen einer handlungsorientierten Medienpädagogik kaum Spielräume lassen. Der Beitrag plädierte für eine Stärkung alltags- und lebensweltorientierter Ansätze und eine stärkere Öffnung von Schule für jugendkulturelle Themen und Ausdrucksformen.

Als ich 1997 die Professur an der PH Ludwigsburg antrat, versuchte ich, lebensweltorientierte Ansätze in der schulischen Bildung bekannter zu machen, um hierüber Schüler*innen mehr Räume für ein selbstentdeckendes Lernen und eigene Orientierungen zu eröffnen. Es war mir wichtig, Lehramtsstudierende für diese pädagogischen Ansätze zu sensibilisieren und sie mit entsprechenden medienpädagogischen Arbeitsformen vertraut zu machen (vgl. die untenstehenden Publikationen von 2001-2008).

Im Rahmen professionspolitischer Aktivitäten entstanden weitere Publikationen zur Medienpädagogik in der Schule (vgl. Niesyto 2013-2015). An der PH Ludwigsburg konnte die Abteilung Medienpädagogik in enger Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen eine Grundbildung Medien in der Lehrerbildung etablieren. Gleichzeitig fanden mehrere Entwicklungs-, Forschungs- und Promotionsprojekte statt, die sich mit verschiedenen medienpädagogischen Fragen und Herausforderungen in der Realschule, der Sonderpädagogik und der Grundschule befassten (> Forschung). So gelang es z.B. mit dem Entwicklungsprojekt dileg-SL, Intentionen einer handlungs- und lebensweltorientierten Medienpädagogik mit fächerbezogenen und grundschulpädagogischen Intentionen zu verbinden (vgl. Junge/Niesyto 2019).

Rückblickend ist festzuhalten, dass der Stellenwert der Medienpädagogik in der Lehrerbildung in Ludwigsburg verbessert werden konnte. Die PH Ludwigsburg war der erste Hochschulstandort in Deutschland, der im Rahmen des erziehungswissenschaftlichen Angebots in mehreren Bachelor-Studiengängen (seit 2007/8) sowie in allen Lehramtsstudiengängen (seit 2011/12) medienpädagogische Pflichtveranstaltungen für alle Studierende integrierte und für die Lehramtsstudierenden ein Studienprofil > Grundbildung Medien entwickelte.

Bundesweit ist die Situation an den Hochschulstandorten sehr heterogen. An diversen Hochschulen fehlt z.B. eine Professur mit einer medienpädagogischen Schwerpunktsetzung im Sinne des Orientierungsrahmen Medienpädagogik. Seit geraumer Zeit gibt es seitens zuständiger Ministerien einen Trend, das Verständnis von Medien und Medienbildung auf „Digitalisierung“ und eine sog. „Digitale Bildung“ zu reduzieren. An den Rand gedrängt wird dabei ein umfassendes Verständis von Medienbildung, wie es noch in der Erklärung der Kultusministerkonferenz von 2012 und in einem Expertenpapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF 2010) zum Ausdruck kam (> Medienpädagogik und Politik).

Gleichzeitig ist zu beobachten, dass sich an Schulen immer mehr kommerzielle Anbieter ausbreiten. So bieten z.B. diverse Firmen kostenlose Workshops für Lehrkräfte und kostenlose Unterrichtsmaterialien an. Auch ist eine zunehmende Verflechtung von Bildungspolitik und Digitalwirtschaft zu beobachten. Dies widerspricht dem öffentlichen Bildungsauftrag der Schule. Link (Beitrag von Martina Schmerr, 2017); eigene Publikationen (siehe unten) und Vorträge (u.a. Remscheid 2021, Dresden 2013).; siehe in diesem Zusammenhang auch die Gründung der Initiative „Bildung und digitaler Kapitalismus“.

Anstatt für kommerzielle Angebote sollte sich Schule erheblich mehr für Fragen und Themen von Schülerinnen und Schülern öffnen und im Sinne von Selbstwirksamkeit und sozialer und gesellschaftlicher Teilhabe neue Räume erschließen. Eine lebensweltorientierte und kritisch-reflexive Medienbildung kann hierfür einen wichtigen Beitrag leisten.



Publikationen

  • Niesyto, Horst (2022): Kritische Positionen zur KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“. In: Friedrichs Bildungsblog, Friedrich-Ebert-Stiftung, 08.03.2022. Link
  • Niesyto, Horst (2020): Mobile Digitalmedien in der Primarstufenbildung. In: Mobile Medien im Schulkontext, hrsg. von Dorothee M. Meister und Ilka Mindt. Wiesbaden: Verlag Springer VS, S. 79-108. Link; Preprint-Version
  • Niesyto, Horst (2020): Grundbildung Medien in der Primarstufenbildung. Ergebnisse des Entwicklungsprojekts dileg-SL. In: Digitale Bildung im Grundschulalter. Grundsatzfragen zum Primat des Pädagogischen, hrsg. von Mareike Thumel, Rudolf Kammerl, Thomas Irion. München: kopaed, S. 191-214. Onlineversion / Link
  • Niesyto, Horst / Junge, Thorsten (2020): Digitale Medien in der Grundschullehrerbildung. Erfahrungen aus dem Projekt dileg-SL. In: MedienPädagogik, Jahrbuch Medienpädagogik 17. Lernen mit und über Medien in einer digitalen Welt, hrsg. von Klaus Rummler, Ilka Koppel, Sandra Aßmann, Patrick Bettinger und Karsten D. Wolf, S. 297-322. Link
  • Junge, Thorsten / Niesyto, Horst (Hrsg.) (2019): Digitale Medien in der Grundschullehrerbildung. Erfahrungen aus dem Projekt dileg-SL, hrsg. von Thorsten Junge und Horst Niesyto. Schriftenreihe Medienpädagogik interdisziplinär, Band 12. München: kopaed. ISBN: 978-3-86736-527-7 (452 Seiten). Online (open access). Darin die Beiträge:
    • Niesyto, Horst (2019): Digitales Lernen Grundschule – Ausgangsüberlegungen, Ziele und Strukturen des Entwicklungsprojekts dileg-SL, 17-37.
    • Niesyto, Horst (2019): Ergebnisse des Entwicklungsprojekts dileg-SL. Kernpunkte in teilprojektübergreifender Perspektive, S. 207-232.
    • Thorsten Junge und Horst Niesyto im Gespräch mit Kai Wiemers und Jakob Reichel. (2019: Das Projekt dileg-SL aus der Perspektive der Schulleitung, S. 277-292.
    • Junge, Thorsten / Niesyto, Horst / Rymeš, Robert (2019): Überlegungen zur Nachhaltigkeit des Entwicklungsprojekts dileg-SL, S. 319-344.
    • Thomas Knaus und Horst Niesyto (2019): Digitale Medien in der Grundschule. Ein Gespräch über Herausforderungen und Chancen für Schule und Lehrerinnen- und Lehrerbildung, S. 345-365.
  • Autenrieth, Daniel / Marquardt, Anja / Niesyto, Horst / Schlör, Katrin (2018): Digitales Lernen in der Grundschule – ein Werkstattbericht mit Praxisbeispielen aus dem Projekt dileg-SL. In: Spannungen und Potentiale. Digitaler Wandel in Bildungseinrichtungen, hrsg. von Thomas Knaus und Olga Engel. München: kopaed, S. 151-174.
  • Niesyto, Horst (2015): Keine Bildung ohne Medien! Perspektiven schulischer Medienbildung. In: Katalysator Medienbildung. Auf dem Weg zur Medienschule in Mecklenburg-Vorpommern, hrsg. von Hans-Joachim Ulbrich, Anne Hartmann, Roland Rosenstock. Schriftenreihe Schriften zur Medienpädagogik, Band 51. München: kopaed, S. 13-32.
  • Niesyto, Horst (2013): Keine Bildung ohne Medien! Zur Bedeutung von Medienbildung in Schule und Hochschule. In: Medienbildung in schulischen Kontexten. Erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Perspektiven, hrsg. von Manfred L. Pirner, Wolfgang Pfeiffer, Rainer Uphues, Rainer. Schriftenreihe Medienpädagogik interdisziplinär, Band 9. München: kopaed, S. 15-37.
  • Niesyto, Horst (2013): Breites Bündnis für Medienbildung. In: Digitale Schule Österreich, hrsg. von Peter Micheuz, Anton Reiter, Gerhard Brandhofer, Martin Ebner, Barbara Sabitzer: Wien: Österreichische Computer Gesellschaft, S. 11-21.
  • Niesyto, Horst (2013): Digitale Medien als Element der Lehrerbildung. Interview von Dietrich Karpa mit Horst Niesyto. In: Schulpädagogik heute, Ausgabe 7 (2013).
  • Niesyto, Horst (2004): Öffnung von Schule und partnerschaftliche Kooperation. Zur Zusammenarbeit von schulischer und außerschulischer Medienarbeit. In: Medienbildung im Doppelpack. Wie Schule und Jugendhilfe einander ergänzen können, hrsg. von Ida Pöttinger, Wolfgang Schill, Günter Thiele. Bielefeld: AJZ-Druck & Verlag, S. 39-49.

Vorträge

  • 25.03.2022, Universität Rostock, Auftaktveranstaltung zum Projekt „Digitalisierung Lehrkräftebildung“, Keynote zum Thema „Grundbildung Medien im Kontext einer umfassenden Medienbildung“ Folien  (Auswahl)
  • 18.06.2021, PH Schwäbisch Gmünd, Vortrag im Rahmen der FluxDays 21 zum Thema „Digitale Bildung“ in der Kritik – Plädoyer für eine „Grundbildung Medien“. Der Vortrag hat drei Teile: 1) Zur Kritik an der Bezeichnung „Digitale Bildung“; 2) Zum Vormarsch der IT-Wirtschaft an Schulen; 3) zu den Dimensionen einer Grundbildung Medien in der Lehrerbildung. Der Vortrag (Ton und Folien) ist hier zugänglich (20 min).
  • 28.11.2019, Innsbruck: Universität Innsbruck, Institut für Medien, Gesellschaft und Kommunikation. Gastvortrag: „Digitale Medien in der Grundschullehrerbildung“.
  • 11.02.2019, Ludwigsburg: Abschlusstagung des Projekts „Digitales Lernen Grundschule – Stuttgart/Ludwigsburg“ (dileg-SL) an der PH Ludwigsburg. Plenumsvortrag: „Dileg-SL: Projektentwicklung und teilprojektübergreifende Befunde“.  Tonmitschnitt:
  • 10.03.2017, Mainz: Fachtagung „‘Digitale Bildung‘ – medienbezogene Bildungskonzepte für die nächste Gesellschaft“. Veranstalter: Sektion Medienpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) in Zusammenarbeit mit der AG Medienpädagogik und der AG Schulpädagogik an der Universität Mainz. Vortrag: „Projekt dileg-SL – Digitales Lernen Grundschule – Stuttgart/Ludwigsburg“ (zusammen mit Daniel Autenrieth und Robert Rymeš; Videostatement (durch das Abspielen des Videos oder anklicken des Links werden Daten an YouTube übermittelt werden)

  • 16.04.2015, Stuttgart: Tag der offenen Tür. Veranstalter: Stadtmedienzentrum Stuttgart. Vortrag: „Leitperspektive Medienbildung – Anspruch und Wirklichkeit“. Videomitschnitte:


Teil 1:  Grundlagen, Ziele der Leitperspektive Medienbildung (Bildungsplanreform Ba-Wü 2016), kritische Bestandsaufnahme bzgl. Grundschule und Sekundarstufe  (13 min) Link, durch das Abspielen des Videos oder anklicken des Links werden Daten an YouTube übermittelt werden.

Teil 2: Basiskurs Medienbildung, Medienbildung in der Lehrerbildung, Handlungsempfehlungen, Bildungsgerechtigkeit (ca. 13 min) Link, durch das Abspielen des Videos oder anklicken des Links werden Daten an YouTube übermittelt werden.

  • 24.09.2014, Rostock: Fachtagung „Katalysator Medienbildung“. Veranstalter: Landesarbeitsgemeinschaft Medien Mecklenburg-Vorpommern e.V. Plenumsvortrag: „Keine Bildung ohne Medien! – Perspektiven schulischer Medienbildung“ Vortragsfolien
  • 30.10.2014, Stuttgart: Fachaustausch „Grundbildung Medien“. Veranstalter: Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), Landesgruppe Baden-Württemberg. Programm; Vortrag: „Grundbildung Medien“ Vortragsfolien
  • 05.06.2008, Frankfurt/Main: Fachveranstaltung für die Leiter*innen der hessischen Studienseminare: „Lehren und Lernen in der digitalisierten Bildungswelt von morgen – eine Herausforderung an die Lehrerausbildung von heute“. Plenumsvortrag: „Wohin wird die Reise gehen? Anforderungen einer zukunftsorientierten Schule an eine nachhaltige Medienbildung als Teil der Lehrerausbildung von heute“
  • 22.11.2002, Berlin: Fachtagung „Schulprofil Medienkompetenz III – Konzepte, Erfahrungen, Perspektiven. Schwerpunkte: Öffnung der Schule, Kooperation von Schule und Jugendarbeit“. Veranstalter: Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), Landesgruppe Berlin/Brandenburg und LISUM. Vortrag: „Kooperation von Schule und Jugendhilfe – theoretische Forderungen und ihre praktische Umsetzung“