Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus
„Kritische Analysen verdeutlichen, dass Formen eines digitalen Kapitalismus, eines Daten- und Überwachungskapitalismus eine enorme Konzentration von Kapital, Wissen und Macht hervorgebracht haben. Das vorrangige Ziel besteht im Maximieren von Profit und Kontrolle. Zu den Methoden gehören insbesondere eine umfassende Ausbeutung persönlicher Daten und eine massive Kommerzialisierung von Lebenswelten und Bildungsorten (…) Bildung und Medienbildung können nicht von technologischen, ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Rahmenbedingungen abstrahieren. Die persönliche Entwicklung und das Zusammenleben der Menschen in Gemeinschaften und Gesellschaften sind untrennbar mit Fragen der Ermöglichung und Begrenzung gesellschaftlicher Lebensbedingungen, Strukturen sozialer Ungleichheit, politischer und wirtschaftlicher Macht sowie mit demokratiefördernden und -gefährdenden Prozessen verbunden.“ (Fachinformation der Initiative „Bildung und digitaler Kapitalismus“, 2021)
Die Initiative entstand 2021 aus einem Kolloquium heraus, das sich mit dem Thema „Digitaler Kapitalismus und Herausforderungen für die Bildungsarbeit“ auseinandersetzte. An dem Kolloquium nahmen mehrere Wissenschaftler*innen und in der Bildungsarbeit aktive Kolleg*innen aus verschiedenen Bereichen teil. Die beiden Kolloquien (online) fanden am 31.05.2021 und am 01.09.2021 statt und wurden von Max Fuchs, Horst Niesyto und Horst Pohlmann organisiert. In Verbindung mit dem Kolloquium entstand auch die Idee, im Juni 2022 eine Fachtagung zum Thema „Bildung und digitaler Kapitalismus“ an der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid durchzuführen. Die Initiative möchte dazu beitragen, gesellschafts- und medienkritische Analysen und Praxisaktivitäten zum Thema „Bildung und digitaler Kapitalismus“ in inter- und transdisziplinärer Perspektive zu stärken. Hierfür plant die Initiative u.a.
- weitere Kolloquien und Fachtagungen
- den Aufbau einer Online-Plattform bzw. Website mit Hinweisen auf Publikationen und Analysen, Tagungen & Vorträge, praxisbezogene Materialien für die Bildungsarbeit
- Werkstätten zum Austausch und zur Entwicklungsarbeit
- bildungs- und medienpolitische Stellungnahmen.
„Nach unserer Einschätzung ist es dringend erforderlich, in gesellschafts- und medienkritischer Perspektive digital-kapitalistische Formationsprozesse zu thematisieren und alternative Entwicklungspfade in wissenschaftlichen Kontexten, pädagogischen Handlungsfeldern sowie in bildungspolitischen Aktivitäten zu befördern.“ (Fachinformation der Initiative „Bildung und digitaler Kapitalismus“, 2021)
Aktivitäten der Initiative
- Veröffentlichung einer Fachinformation zum Selbstverständnis, den Zielen, Themen, Mitwirkenden und Ansprechpersonen der Initiative (November 2021)
- Mitarbeit von Mitgliedern der Initiative bei einem Positionspapier, das sich auf eine Stellungname der „Ständige wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK)“ zur Weiterentwicklung der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ bezieht (November 2021)
- Webseite der Initiative (seit Ende März 2022); aktuelle Hinweise und fortlaufende Veröffentlichung von Beiträgen zu unterschiedlichen Themen
- Fachtagung „Bildung und digitaler Kapitalismus“ am 20./21.06.2022 an der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid; Tagungsdokumentation
- halbjährliche Treffen der Initiative (Plenum); Organisationsstruktur der Initiative
- bildungspolitisches Positionspapier 2023
- Herausgabe eines Sammelbands „Bildung und digitaler Kapitalismus“ (Erscheinen für Herbst 2024 geplant)
Als Mitinitiator des Kolloquiums und der Initiative liegt mir daran, einen kritisch-reflexiven Blick auf die Strukturen gesellschaftlicher und medialer Entwicklung mit subjekt- und handlungsorientierten Bildungsansätzen zu verknüpfen und dabei auch immer wieder strukturelle Fragen sozialer und digitaler Ungleichheit zu thematisieren.
„IT-Konzerne und -Interessenverbände sind seit längerer Zeit im Bildungsbereich auf dem Vormarsch. Über Netzwerke von Firmen, Vereinen und staatlichen Instanzen gibt es subtile und offene Formen der Beeinflussung und Werbung. Unter dem Label ‚Digitale Bildung‘ entstand in den letzten Jahren eine weitere Einflugschneise für die IT-Wirtschaft im Bildungsbereich. Die umfassende Ausbeutung persönlicher Datenprofile und die massive Kommerzialisierung von Lebenswelten und Bildungsorten durch den digitalen Kapitalismus kann nicht weiter hingenommen werden. Es ist dringend geboten, seitens der Medienpädagogik eine deutliche und kritische Positionierung vorzunehmen. (…) Medienpädagogik sollte mit Blick auf demokratische, gemeinwohlbewusste und sozial-ökologische Zukunftspfade die eigene Expertise für eine gemeinsame Stärkung nachhaltiger Entwicklungen einbringen. Auch im Hinblick auf bildungs- und professionspolitische Aufgaben ist es notwendig, die medienpädagogische Perspektive für entsprechende Kooperationen zu weiten.“ (Niesyto, Horst 2021a)
Literaturhinweise
- Dander, Valentin; Grünberger, Nina; Leineweber, Christian; Niesyto, Horst; Spengler, Andreas (2024): Bildung und digitaler Kapitalismus: Medienpädagogische Perspektiven. In: Die pädagogische Wende, hrsg. von Ralf Lankau. Weinheim/Basel: Beltz, S. 201-213. Link
- Niesyto, Horst (2023): Digitaler Kapitalismus – Herausforderungen für die Bildungsarbeit. Plenumsvortrag am 21.06.2022 auf der Fachtagung „Bildung und digitaler Kapitalismus“ an der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid. PDF
- Niesyto, Horst (2022): Digitaler Kapitalismus und kritische Medienpädagogik. In: Umrisse einer Pädagogik des 21. Jahrhunderts im Kontext der Digitalisierung, hrsg. von Bernd Schorb, Anja Bensinger-Stolze, Fred Schell, Birgita Dusse und Wolfgang Antritter. München: Kopäd, S. 21-35. Preprint
- Niesyto, Horst (2021a): ‚Digitale Bildung‘ wird zu einer Einflugschneise für die IT-Wirtschaft. In: medien + erziehung, Heft 1/2021, S. 23-28. Langfassung (PDF, Volltext).
- Niesyto, Horst (2021b): Digital Capitalism and Critical Media Education. In: seminar.net, Special Issue, Vol. 17 No. 2, p. 1-21. Edited by Valentin Dander, Theo Hug, Ina Sander, Rachel Shanks. Link
- Niesyto, Horst (2019): Medienpädagogik und digitaler Kapitalismus. Für die Stärkung einer gesellschafts- und medienkritischen Perspektive. In: Kulturelle Bildung Online. Erstveröffentlichung in der Zeitschrift MedienPädagogik, Themenheft Nr. 27 (2017)
Siehe auch meine Publikationen zu den Themen > digitaler Kapitalismus > Medienkritik > Mediensozialisation und soziale Benachteiligung > Politisch-kulturelle Medienbildung > Medienpädagogik und Politik
Webseite der Initiative
Die Website der Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus informiert über die Aktivitäten der Initiative und enthält u.a. Hinweise auf Tagungen, Publikationen und Materialien zu verschiedenen Themenfeldern. Kontakt: redaktion@bildung-und-digitaler-kapitalismus.de.
In den letzten Jahren sind zum Themenbereich Bildung – Digitalisierung – IT-Wirtschaft mehrere wissenschaftliche Analysen und Studien erschienen, u.a. von Annina Förschler (2018), Maike Altenrath et.al. (2020), Tim Engartner (2020), Sigrid Hartong (2020), Theo Hug & Reinhold Madritsch (2020). Auch international gibt es vermehrt kritische Stimmen zum digitalen Kapitalismus und zur Datafizierung in der Bildung, u.a. Antoni Verger et.al. (2017), Ben Williamson et. al. (2018), Valentin Dander et.al. (2021). Gleichzeitig gewinnt der Themenbereich Medienpädagogik & Nachhaltigkeit an Bedeutung, siehe u.a. die Themenhefte der Zeitschriften MedienConret (2020), medienimpulse (03/2020) und Medien + Erziehung (merz 04/2021).
Der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gebührt das Verdienst, wiederholt in kritischer Perspektive auf den Vormarsch der IT-Wirtschaft im schulischen Bereich hingewiesen zu haben. So veröffentlichte die GEW 2019 ein Dossier über „Aktivitäten der Digitalindustrie im Bildungsbereich“, in welchem die Aktivitäten der IT-Großkonzerne Apple, Microsoft, Google, Samsung Electronics und des Interessenverbandes Bitkom (Deutschland) dargestellt werden (GEW 2019). Ein weiteres Dokument „Lobby-Check: Für eine werbe- und lobbyismusfreie Schule“ (GEW 2020) enthält konkrete Hinweise und Orientierungshilfen, um in pädagogischen Kontexten kommerzielle oder privatwirtschaftliche Interessen bei digitalen Angeboten und Lernmaterialien erkennen und einschätzen zu können.